Apfelallergie - was ist das?

(verfasst von Dr. Michael Neumüller, Bayerisches Obstzentrum Hallbergmoos)

Gräfin Goldach: allergikerfreundliche ApfelsorteManchen Menschen ist es nicht vergönnt, frische Äpfel zu genießen: Sie reagieren allergisch auf die Früchte. Heute weiß man, dass stets ein bestimmtes Eiweiß, das in den Früchten vorkommt, die Allergie auslöst. Diese Proteine, die eigentlich völlig unschädlich für den Körper des Allergikers sind, werden vom Immunsystem irrtümlicherweise als gefährlich eingestuft und wirken als Allergene. Damit wird eine über Antikörper vermittelte, übertrieben starke Immunreaktion ausgelöst, die zu den Allergiesymptomen führt.

Im Wesentlichen gibt es zwei Gruppen von Apfelallergien:

  1. Mal d1-Allergie

In Nord- und Mitteleuropa leiden wenigstens 8 % der Menschen an der Mal d1-Apfelallergie. (In der Apfelfrucht ist gehört das Mal d1-Protein zu einer großen Gruppe an Proteinen, die in gewisser Weise an an Abwehrreaktionen gegen pilzliche Krankheiten beteiligt sind oder in einem früheren Stadium der Evolution des Apfels beteiligt waren.) Allergiker besitzen Antikörper, die das Mal d1-Protein erkennen und eine Überreaktion des Immunsystems auslösen. Interessant ist, dass die gleichen Antikörper auch an allergieauslösende Proteine von Birken- und Haselnusspollen binden. Dies nennt man eine Kreuzreaktion. Viele Personen, die allergisch gegen Birkenpollen sind und im Frühjahr Heuschnupfensymptome bekommen, sind gleichzeitig allergisch gegen die frischen Früchte der meisten Apfelsorten.

Mal d1-Apfelallergiker leiden meistens am sogenannten oralen Allergiesymptom: Die Mundschleimhäute, die Zunge und/oder die Lippen fühlen sich pelzig an, schwellen und können sich entzünden. Auch Beschwerden an den Atemwegen sind möglich. Oft müssen sich die Allergiker nach Apfelverzehr räuspern oder die Stimme versagt vorübergehend fast ganz. Die Symptome gehen einige Zeit nach der Exposition mit dem Allergen wieder zurück.

Wie stark die Symptome sind, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • der Konzentration der Mal d1-Proteine, an die die Antikörper binden können,
  • der Art an Mal d1-Proteinen im Apfel: Man weiß heute, dass es mehrere Gene gibt, die für Mal d1-Proteine kodieren (sog. Isoallergen-Gene). Die Eiweiße unterscheiden sich geringfügig voneinander. Manche scheinen auch in niedrigen Konzentrationen bereits allergische Reaktionen auszulösen. Genau genommen handelt es sich bei den Mal d1-Proteinen also um eine ganze Gruppe von ähnlich aufgebauten Stoffen. Bis vor kurzem dachte man, dass es ausreicht, mit relativ einfachen Tests den Mal d1-Gehalt von Apfelsorten zu bestimmen und so das allergene Potential von Apfelsorten abschätzen zu können. Das ist aber nicht der Fall.
  • der Verfassung des Allergikers: Liegt z. B. eine Kreuzreaktion mit Birkenpollen vor, ist der Konzentrationsschwellwert, bei dem eine allergische Reaktion ausgelöst wird, deutlich niedriger in den Monaten, in denen Birkenpollen fliegen.
  • der Empfindlichkeit des Allergikers: Die kritische Konzentration an Mal d1-Eiweißstoffen im Apfel, die eine Allergie auslöst, kann von Mensch zu Mensch verschieden sein.

In der Apfelfrucht kommen die Mal d1-Proteine sowohl in der Schale als auch im Fruchtfleisch vor. Beim Erhitzen werden die Proteine so denaturiert, dass sie keine Allergie mehr auslösen. Pasteurisierter Apfelsaft, Apfelkuchen und -gelee lösen bei Mal d1-Apfelallergikern also keine Reaktion aus. Bei Dörrobst kommt es darauf an, wie schonend die Apfelringe getrocknet wurden: Erst bei Temperaturen deutlich über 60 °C geht das allergene Potential zurück. Bei der wünschenswerten vitaminschonenden Trocknung bei gut 40 °C (oder bei Gefriertrocknung) bleibt das allergene Potential vorhanden. Für allergikerfreundliches Dörrobst müssen daher Früchte spezieller Sorten verwendet werden.

  1. Mal d3-Gruppe

In Südeuropa und dem Mittelmeerraum reagieren viele Menschen allergisch auf ein Eiweiß, das als Mal d3-Protein bezeichnet wird. Dieses Eiweiß kommt in relevanten Mengen nur in der Schale vor. Geschälte Früchte vertragen Mal d3-Allergiker. Das Eiweiß ist aber hitzestabil. Deshalb lösen auch Apfelsaft oder die Apfelstücke im Kuchen diese Form der Allergie aus. Die Symptome reichen von Durchfall und Hautausschlägen bis zu Atemnot. In Mitteleuropa ist diese Form der Allergie recht wenig verbreitet. Die nachstehenden Ausführungen beziehen sich daher vorwiegend auf die Mal d1-Apfelallergie.

Warum erzeugt der Apfel Stoffe, die allergen wirken?

An und für sich sind alle Bestandteile der Früchte unserer Kultursorten von Äpfeln für den Menschen harmlos. Nicht der Apfel an sich stellt also das Problem dar, sondern das Immunsystem mancher Menschen. Es stuft ein Eiweiß der Apfelfrucht als gefährlich ein und leitet eine übertrieben schnelle und starke Abwehrreaktion ein, die sich als Allergie äußert. Im Apfel haben die betreffenden Proteine eine noch nicht gänzlich bekannte Funktion. Häufig sind sie an der Abwehr der Pflanze gegen bestimmte pilzliche Schaderreger beteiligt, oder sie füllten diese Funktion zu einem früheren Stadium der Evolution des Apfels aus und sind heute ein Relikt aus dieser Zeit.

Wie kann man den Allergen-Gehalt beeinflussen?

Während der Lagerung nimmt der Gehalt an Mal d1-Protein zu. Je besser die Bedingungen zur Qualitätserhaltung der Früchte während der Lagerung sind, desto geringer und später nimmt der Mal d1-Gehalt zu. Verzögernden Effekt haben demnach 1-MCP-Behandlungen, ULO- und DCA-Lagerungsbedingungen. Bei der Ernte ist der Allergengehalt der Früchte am niedrigsten. Den mit Abstand größten Einfluss auf den Gehalt mit Allergenen hat die Sorte. Daher ist der Anbau allergikerfreundlicher Sorten die beste Maßnahme.

Welche Rolle hat der Gehalt an Phenolen?

Häufig ist zu lesen, dass das allergene Potential der Früchte umso niedriger ist, je höher deren Gehalt an Phenolen ist. Wissenschaftliche Studien konnten diesen Zusammenhang nicht bestätigen. Zunächst ist anzumerken, dass die Gruppe der Phenole sehr vielfältig ist und daher die Bestimmung des Gesamtphenolgehaltes sicher kein bestgeeignetes Maß für derartige Untersuchungen darstellt. Zum anderen ist die Theorie, dass bestimmte Phenole die Mal d1-Proteine so denaturieren, dass sie die allergische Reaktion nicht mehr auslösen, fragwürdig: Die Phenole befinden sich nämlich in der Zelle räumlich getrennt vom Mal d1-Protein. Erst beim Kauvorgang im Mund kommen Phenole und Allergene miteinander in Kontakt. Dann aber dürfte es für eine Denaturierung zu spät sein, denn die Mal d1-Proteine können unmittelbar die allergische Reaktion auslösen. Anders verhält es sich, wenn Früchte geraspelt oder gepresst werden. Hier kann es durchaus zu einer Denaturierung kommen, weil die Einwirkzeit erheblich länger ist.

Wie kann man das allergene Potential von Äpfeln bestimmen?

Weil der Gehalt an Mal d1-Protein ein entscheidender Faktor ist, hat man sich bemüht, den Gehalt bei verschiedenen Apfelsorten zu bestimmen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass es verschiedene Subtypen des Mal d1-Proteins gibt, die unterschiedlich stark an der allergenen Wirkung der Frucht beteiligt sind. Unbekannt ist bislang, welchen Beitrag die bekannten Gene zur allergenen Wirkung haben. Hier sind detaillierte Untersuchungen notwendig. Erst dann könnte aus der Untersuchung der Fruchtbestandteile das allergene Potential abgeleitet werden.

Bei klinischen Studien wird häufig ein Hauttest angewandt. Dabei wird das Allergen auf die Haut eines Patienten aufgetragen und diese danach leicht verletzt. Nun beobachtet man, ob es eine Rötung der Haut an der betreffenden Stelle gibt. Leider lässt sich so nur abschätzen, ob eine allergische Reaktion erfolgt. Es ist aber nicht möglich abzuschätzen, wie stark die Reaktion ausfällt.

Die beste Methode ist es, erwiesenermaßen allergischen Personen unter ärztlicher Aufsicht Früchte der Testsorten zum Verzehr zu geben und die Reaktionen zu dokumentieren.

Woher kommen die widersprüchlichen Angaben zum allergenen Potential von Früchten verschiedener Apfelsorten?

Das Internet und Zeitschriften sind voll mit Listen von Apfelsorten, die deren allergenes Potential beschreiben. Dabei kommt es nicht selten vor, dass ein und dieselbe Apfelsorte von Studie zu Studie unterschiedlich bewertet wurde. Die Gründe dafür sind vielfältig: fehlende pomologische Prüfung der Identität der Sorten, fehlende Überprüfung des Grads der Allergie bei den Testpersonen, unterschiedliche Bewertung der allergischen Reaktionen, unzureichende Testsysteme (z. B. Bestimmung des Gesamtphenolgehalts oder des Mal d1-Gehalts mit nicht geeigneten chemischen Verfahren). Zudem spielt der Zeitraum der Verkostung eine Rolle: Im Herbst sind viele Sorten gut verträglich, während sich dies im Lauf des Winters ändert.

Was sind allergikerfreundliche Sorten?

Lebensmittel, die bei keinem Menschen eine allergische Reaktion auslösen können, gibt es nicht. Es kann also auch nicht behauptet werden, dass es Apfelsorten gibt, die mit Sicherheit keine Allergie auslösen können. Aber es gibt Sorten, die von den meisten Mal d1-Allergikern vertragen werden. Hochsensible Apfelallergiker reagieren auf diese Sorten entweder ohne oder mit einer wesentlich schwächeren Reaktion. Ist das nicht nur nach der Ernte, sondern auch im Frühjahr und Sommer nach längerer Lagerung der Früchte der Fall, dürfen diese Sorten als allergikerfreundlich bezeichnet werden.

Kleines Lexikon:

Allergen: Stoff, an den spezifische Antikörper des Immunsystems binden können (z. B. Mal d1- oder Mal d3-Proteine)

Allergie: Überreaktion des Immunsystems auf einen Stoff, der für den Körper eigentlich unschädlich ist (Fehlfunktion des Immunsystems)

Anaphylaktischer Schock: Extremform der Allergie, bei der sich die Blutgefäße schnell weiten und der Blutdruck abfällt. Betroffene werden bewusstlos und können sogar sterben, wenn nicht schnell Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Diese Form ist bei Apfelallergien äußerst selten, aber nicht ausgeschlossen. Deshalb wird Personen mit starker Apfelallergie dringend empfohlen, Sortentests nur unter ärztlicher Begleitung durchzuführen.

Autor:

Dr. Michael Neumüller

Bayerisches Obstzentrum

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